Hochgelobt & doch daneben

Die jüngste Nachbesserung offenbart die größte Schwäche. 

Als David Norton und Robert Kaplan vor über 30 Jahren die Balanced Scorecard (BSC) entwarfen, lösten sie damit ein gewaltiges Führungsproblem. Für schwache Führungskräfte.

Ein fragwürdiger Maßstab  

Führungskräfte konnten von da an mit der Zielerreichungspflicht aus der Balanced Scorecard argumentieren, wenn es ihnen an eigener Ausstrahlung und Überzeugungskraft mangelte. Schließlich war die BSC ein Tool, auf das sich das Unternehmen festgelegt hatte, und deren Kennziffern der quantitative Gradmesser, wie nahe man dem Ziel sei. – Wer wollte sich da versperren.

Kein Wunder, dass das Tool in Großunternehmen einen reißenden Absatz fand, wo Führungskräfte in relativ engen Leitplanken führen müssen, eine rege Fluktuation herrscht und gute Zahlen das oberste Gebot sind.

Ein Bereich war in der BSC allerdings nicht vertreten, der im Mittelstand seit langem eine Herzensangelegenheit ist: die Kombination ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele.

Der Mittelstand braucht keine BSC, der Kompass ist das Herz

Nun hat Kaplan erkannt, dass diese Dimension komplett fehlt und besserte kürzlich nach. Leider aus einer ungeschickten Sichtweise heraus, denn er beruft sich darauf, „… dass es die Aktionäre und Kunden erwarten.“ Damit spielt er einmal mehr den inkompetenten Führungskräften in die Hände, die nun ihre Aktivitäten mit den Erwartungen außenstehender Dritter begründen.

Die Realität im Mittelstand ist jedoch eine völlig andere. Ob ein Outdoor-Ausrüster wie Vaude, eine Unternehmerin wie Dr. Ute Bergner (Vacom) oder ein Ziegelhersteller wie Stephan Jungk (JuWö): der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit, Menschenorientierung und Gewinnerzielung kommt von innen heraus. Das ist die zentrale Vision der Unternehmer, die ihre Mission im Unternehmen weitertragen und der festen Überzeugung sind, hierfür auch andere Menschen begeistern zu können. – Es ist nicht das Ergebnis eines Tools. 

Sie alle sprechen nicht von „inklusiven Wachstumsstrategien“ wie die neue BSC, sondern sie machen es einfach, ohne extra Bezeichnung oder eigenes Tool. Und über ein Erfolgsbeispiel wie den auf Nachhaltigkeit achtenden Kakao-Anbauer, der zukünftig den Großkonzern beliefert, können sie vermutlich nur schmunzeln.

Abbildung: Im Zweifel mit Herzenswärme

Wirtschaftsmagneten sind ihrer Zeit voraus

Übrigens: jeder qualifizierte Wirtschaftsmagnet ist ein Beispiel für gelebte Nachhaltigkeit. Sie alle kombinieren die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales bereits signifikant. Seit Jahren, häufig seit Jahrzehnten.

Schön, wenn das Herz den Verstand schlägt. Und man dadurch nicht nur der Zeit, sondern auch dem Wettbewerb weit voraus ist. – Guten Morgen, Herr Kaplan.

Quelle: Harvard Business Manager Mai 2021, Seite 71 ff