Die Krisenmeisterer

Krisenresiliente Unternehmen führen. 

Das Jahr 2020 wird in Erinnerung bleiben mit all seinen negativen Begleiterscheinungen, die viele Unternehmen an den Rand ihrer Existenz treiben. Doch es gibt auch Unternehmen, die 2020 relativ gut überstanden haben, obwohl sie nicht zu den systemrelevanten Branchen zählen. 

 

Aus der Untersuchung vieler dieser Unternehmen und aus den Gesprächen mit den CEOs der Wirtschaftsmagneten lassen sich einige wertvolle Schlüsse ziehen, weshalb diese Unternehmen Krisen grundsätzlich besser meistern als andere. Denn viele dieser Unternehmen haben die Bewährungsprobe für ihre Unternehmensführung schon in der Lehmann-Krise 2008/2009 bestanden.

Grundsätzliche Unterschiede in der Unternehmensführung zeigten sich vor allem an drei Punkten: 

1: Krisenmeisterer können Ihr Produkt als Problemlösung abstrahieren

Diese Unternehmenslenker denken über das Produkt oder die Dienstleistung hinaus und bieten immer eine Problemlösung. Die Versuche der Gastronomie, mit To-Go-Lösungen das Geschäft zu retten, gehen in diese Richtung. Findige Gastronomen haben beispielsweise die Zielgruppe „Wohnmobilnutzer“ entdeckt und servieren ihre 5-Gänge-Menüs im festlich geschmückten Wohnmobil. Ein Service, der an Silvester viel Zustimmung fand.

Praktisch formuliert lautet der Unterschied: Statt „Wiener Schnitzel“ (= Produkt) sorgen wir für „kulinarisches Wohlbefinden“ (= Problemlösung). Durch dieses Umdenken wird fast automatisch auch der Ort der Leistungserbringung kritisch überdacht und, wenn nötig, radikal verändert. Statt an den herkömmlichen Tischen im Restaurant kann sich der Gast selbst bedienen oder die Speisen werden an einen Ort seiner Wahl gebracht und sogar auch serviert.

Diese Transformation beherrschen die Krisenmeisterer aus dem Effeff. Denn sie deklinieren ihre Problemlösung durch:

a) welche Formen der Anwendung gibt es?
b) für welche Branchen?
c) in welchen Regionen?
d) Online, digital, analog?

2: Sie nutzen die Landkarte der Marktsegmentierung

Das folgende Beispiel zeigt die Funktionsweise: Der Hersteller von kleinen Elektromotoren (EM) bietet nun keine Produkte mehr an, sondern eine Problemlösung, nämlich eine Antriebslösung.

Damit gelingen ihm zwei geschickte Schachzüge: Zum einen stellt sich sofort die Frage, für welche Anforderungen und in welchen Bereichen seine Antriebslösungen zur Verfügung stehen. Mit dieser Sichtweise gewinnt er zwei wichtige Perspektiven, die bisher nicht betrachtet wurden. Vereinfacht dargestellt, könnten sie lauten: Was bei Zahnbürsten funktioniert, funktioniert auch bei Küchengeräten. Was bei Markenprodukten funktioniert, funktioniert auch bei No-Name- Produkten. Was bei kleinen Stückzahlen funktioniert, funktioniert auch bei großen Stückzahlen.

Zum anderen wird der Hersteller von EMs nun auch zum Engineering-Dienstleister. Damit kann er nun im Neukunden-Geschäft über zwei Kanäle punkten und fragen: „Brauchen Sie einen bewährten EM oder können wir Sie in der frühen Entwicklungsphase mit unserem Engineering unterstützen?

Viele Unternehmen, die so denken, arbeiten mit einer Marktsegmentierung. Diese Matrix dient ihnen als Landkarte, um sich ständig weiterzuentwickeln und zugleich in immer mehr klar definierten Märkten Fuß zu fassen. Diese kann beispielsweise wie folgt aufgebaut sein:

Abbildung: Marktsegmentierungs-Matrix

Aus diesen Kombinationen ergeben sich Unmengen von kleinen Zielmärkten, die die Krisenmeisterer nach und nach besetzen. Die Herangehensweise ist dabei immer ähnlich: Die Unternehmen sehen sowohl die gesamte Größe des Marktes (Kuchen) als auch die vielen kleinen Segmente (Tortenstücke).

Und sie wollen nicht die ganze Torte auf einmal, sondern die Tortenstücke nach und nach. Somit haben Sie 

(1) Unmengen an Aufgaben vor sich.
(2) Ständig neue Wachstumschancen im Blick.
(3) Einen Ausgleich, wenn es in einem Markt einmal nicht so läuft.
(4) Die Chance auf eine innovative Revolution, wenn sie die Anforderungen aus dem einen Markt auf einen anderen übertragen können.

3: Vertrieb – Vertrieb – Vertrieb

Lange galt das Credo: „Du musst ein absoluter Spezialist sein!“, „Du muss gut positioniert sein, dann finden dich die Kunden von selbst.

Doch die Krise und die Lockdowns haben gezeigt, dass Unternehmen, die vertrieblich am Ball bleiben, ständig neues Geschäft und neue Kunden suchen und dabei mit einer Landkarte der Marktsegmentierung arbeiten, allen anderen Unternehmen um Längen überlegen sind.

So konnten Sie sich auch in der Krise Marktvorsprünge erarbeiten, die sie nun weit nach vorne gebracht und das Mobile am Markt zu ihren Gunsten stark verändert haben.

Wer sich mit dem Thema genauer beschäftigen möchte, dem seien zum einen die Interviews mit den Wirtschaftsmagneten empfohlen, zum anderen das Buch Die Wachstums-Champions.