„Ich war bis zuletzt vom Erfolg überzeugt, ich war von meinem Unternehmen überzeugt. Ich habe dafür gekämpft. Ich habe nicht geglaubt, dass es kaputtgehen könnte.“
Vielleicht werden diese Sätze es sogar einmal bis in eine Quiz-Sendung schaffen. Von wem Sie stammen? Von Anton Schlecker, dem ehemaligen Drogerie-König, der zusammen mit seiner Familie jetzt in Stuttgart vor Gericht steht. Das Handelsblatt kommentiert zu dieser Erklärung abfällig: „Falls die Stiftung Warentest ein Siegel für die frechste Ausrede vergeben würde, hätte Anton Schlecker es redlich verdient.“
Möglicherweise ist der Fall aber wie so häufig nicht schwarz/weiß. Vieles spricht dafür, dass ein ehemals erfolgreicher Patriarch weiter an die Zukunft seines Unternehmens geglaubt hat. Und zwar ungeachtet aller Einschläge links und rechts. Ob dies vereinbar ist, mit den Vermögenstransaktionen, die die Staatsanwaltschaft ins Feld führt? Das muss letztlich der Prozess klären. Bei einer Familie mit vier Personen ist es auch nicht auszuschließen, dass der „Wir-schaffen-es“-Glaube den einen oder die andere schon früher verlassen hat. Nicht jeder wird vom Saulus zum Paulus, es soll auch schon umgekehrte Wandlungen gegeben haben. Nein, das ist es nicht, was diese Schlecker-Saga auch hier wieder so interessant macht. Es ist die Frage von Fakten vs. Glaube.
Der Glaube ersetzt keine Fakten
Am Ende kann niemand dem Kaufmann Anton Schlecker absprechen, dass er bis zum Schluss an das Weiterbestehen seines Unternehmens glaubte (es sei denn, es taucht irgendwo eine „smoking gun“ auf, z. B. eine eindeutige E-Mail). Anton Schlecker lebte mit all seinen Stärken und Schwächen für sein Unternehmen und da gibt man wohl bis zum Ende nicht auf. Dies ist schon im positiven Sinne Unternehmergeist. Aber kann man mit purem Glauben entschuldigen, dass Fakten ignoriert werden, die für andere ganz klar zu sehen sind? In Berlin standen vor kurzem zwei Autoraser vor Gericht, die bei einem nächtlichen Wettrennen einen Menschen töteten. Hatten sie geglaubt, ihre Fahrweise würde zu einem derartigen Unfall führen? Mit Sicherheit nicht! So wenig, wie völlige Selbstüberschätzung ein Vergehen im Straßenverkehr entschuldigen kann, darf der pure Glaube des „Wir-schaffen-es“ ein Vergehen im Wirtschaftsverkehr entschuldigen.
Planung und Kontrolle sind das Cockpit der Managements
Was der Fall im Grunde exemplarisch zeigt, ist das absolute Muss eines professionellen Managements. Insolvenz ist gleichbedeutend mit Zahlungsunfähigkeit. Entsprechend muss ein Unternehmen über eine angemessene Planungsrechnung verfügen. Eine Planungsrechnung, die als integrierte Rechnung die Bilanz-, die GuV- und die Cashflow-Planung miteinander verknüpft. Integriert und rollierend sind die Schlüsselworte. Es ist eine Planungsrechnung, die als Zahlenradar auf den strategischen und operativen Entscheidungen beruht, auf Investitionen, Stückzahlen, Erlösen und Kosten. Und das was in der Planungsrechnung abgebildet wird, muss kontinuierlich hinterfragt und durch Risikomanagement abgesichert werden: „Halten wir unsere Absatzzahlen ein, treffen unsere Annahmen über die Rohstoffpreise zu, wird die Bank ihre Zusage einhalten usw., usw.“ Nur so besteht die Möglichkeit, ein Unternehmen auf Dauer zu führen, nur so ist Navigation überhaupt möglich.
Aber Stopp: Gibt es da nicht die Heilsbringer, die eine ganz andere Weisheit verkünden? Dass nämlich Planung ein alter Zopf sei („Planung ist Luxus“). Mit diesen und anderen kreativ-provokanten Thesen wird immer wieder versucht, das Managementinstrument der Planung ins Abseits zu reden. Der Schlecker-Prozess wäre jetzt ein idealer Testfall, um die Reaktion von Richtern auf derartige Thesen zu testen: „Herr Schlecker, Sie müssen doch ihr Geschäft geplant und die Zahlen gerechnet haben.“ „Nein Herr Vorsitzender, Planung ist doch bekanntlich Luxus und alternative Fakten und Glaube sprachen dafür, dass alles in Ordnung war.“
Über den Autor
Prof. Dr. Roland Alter ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Heilbronn. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich „Strategisches Management“ und „Strategisches Controlling“.
Einem größeren Publikum wurde er als TV-Experte im Rahmen der Schleckerinsolvenz bekannt. Sein aktuelles Buch „Cashflow-Management“ beschreibt aus Praxissicht die vielfältigen Verbesserungshebel dieses Instruments. Mehr erfahren Sie auf seiner Website www.cashflow-excellence.de.
Im Wirtschaftsmagnet Experten-Forum ist er Spezialist für die Themen Betriebswirtschaft und Strategie.